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April 26, 2023
Gut versichert gegen Klimaschäden

Menschen im Globalen Süden tragen wenig zum Klimawandel bei, leiden aber stark unter seinen Folgen. Forschende untersuchen, wie die Weltgemeinschaft sie unterstützen kann.

Viel Zeit zum Handeln bleibt nicht mehr – diese Botschaft hat der Weltklimarat im März 2023 in einem neuen Bericht an die Staatengemeinschaft gesendet. Bei kaum einem Thema ist internationale Zusammenarbeit wohl so wichtig wie bei der Bekämpfung des Klimawandels und seiner Folgen. Wie diese gelingen kann, interessiert die Ökonomin Kati Krähnert. Die Professorin für Klimawandel und Entwicklung der Ruhr-Universität Bochum erforscht aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive, welche Maßnahmen zur Klimaanpassung im Globalen Süden am effektivsten wären.

Frau Professorin Krähnert, welche Verantwortung haben die Industrienationen gegenüber dem Globalen Süden im Hinblick auf den Klimawandel?
Der Lebensstandard von Menschen im Globalen Süden erzeugt typischerweise wesentlich weniger Emissionen als der von Menschen im Globalen Norden. Diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, sind aber auch diejenigen, die am stärksten von graduellen Klimaänderungen und Extremwetterereignissen betroffen sind. Wir alle müssen zusammenarbeiten und Lösungen finden, um die Folgen des Klimawandels einzudämmen und Menschen auf der ganzen Welt Klimaanpassung zu ermöglichen. Hier ist vor allem der Globale Norden gefragt.

Kati Krähnert hat die Professur für Klimawandel und Entwicklung an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum inne und ist zugleich Professorin am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. An der Ruhr-Universität und dem RWI baut sie mit Kolleginnen und Kollegen das Economic Policy Lab Klima, Entwicklung und Migration auf.

© Damian Gorczany

Was wäre denn eine mögliche Klimaanpassung für Menschen im Globalen Süden?
Eine sozioökonomische Gruppe, die mir besonders wichtig ist, sind die Kleinbauern, die in vielen Ländern eine große Bevölkerungsgruppe darstellen. Man kann sich darunter Familien vorstellen, die Landwirtschaft mit oft einfachen Methoden betreiben und einen Großteil der Ernte selbst konsumieren, einen anderen Teil verkaufen. Wie es den Kleinbauern geht, sagt in der Regel auch viel über die Armut in einem Land aus. Diese Bevölkerungsgruppe ist besonders stark durch extreme Wetterereignisse gefährdet. Große Hoffnungen stecken momentan in sogenannten parametrischen Wetterversicherungen als eine mögliche Maßnahme zur Klimaanpassung, die sich an Kleinbauern richtet.

Was umfassen diese Versicherungen?
Kleinbauern, die eine solche Versicherung besitzen, würden bei extremen Wetterereignissen, etwa bei einer Dürre oder einem tropischen Sturm, für erlittene Ernteverluste entschädigt. Parametrische Versicherungen sind dabei so zugeschnitten, dass sie sich besonders für die Lebensumstände im Globalen Süden eignen. Ob versicherte Kleinbauern nach ungünstigen Wetterbedingungen eine Auszahlung von der Versicherung erhalten, hängt von einem Index ab, der auf Basis von Wetter- oder Satellitendaten berechnet wird. Über- oder unterschreitet der Index einen kritischen Wert – beispielsweise eine bestimmte Windstärke oder Regenmenge – erhalten die Bauern automatisch eine Auszahlung von der Versicherung.

Es ist also egal, ob den Bauern tatsächlich ein Schaden entstanden ist?
Ja, die Versicherungsauszahlung erfolgt unabhängig davon, ob die versicherten Kleinbauern selbst Ernteverluste erlitten haben oder nicht. Der Versicherung müssen keine Schäden gemeldet werden. Damit umgehen parametrische Wetterversicherungen eine große Hürde, die konventionelle schadensbasierte Versicherungen im Globalen Süden meist schwierig machen. Denn in Ländern des Globalen Südens sind Landrechte häufig nicht gut dokumentiert, sodass es für die Menschen schwer wäre, einen erlittenen Schaden in Papierform nachzuweisen. Ein oftmals niedriger Bildungsgrad ist ein weiteres Hemmnis.

Gibt es solche Versicherungen bereits?
Seit Anfang der 2000er-Jahre gibt es viele Pilotprojekte auf allen Kontinenten. In einigen wenigen Ländern, etwa in Indien und der Mongolei, werden parametrische Versicherungen bereits landesweit angeboten.

Wie sieht die Finanzierung der Produkte aus?
Das ist von Land zu Land unterschiedlich. In Indien und China sind die Versicherungsprämien, die die Bauern zahlen müssen, staatlich subventioniert; sie spiegeln also nicht die Marktpreise wider. In afrikanischen Ländern sind die Subventionen oft viel geringer. Es gibt auch Länder, in denen Wetterversicherungen als kommerzielles Produkt vertrieben werden – beispielsweise die Mongolei. Das gibt Hoffnung, dass parametrische Wetterversicherungen ein nachhaltiges Produkt sein könnten.

Oft sind die Anfangskosten für das Etablieren einer Wetterversicherung hoch, weil man erst einmal herausfinden muss, welche Wetterdaten und Grenzwerte für eine Region relevant sind. Hier helfen Mittel aus der Entwicklungszusammenarbeit. An dieser Stelle können wir Ökonom*innen gut unsere Expertise einbringen.

Es gibt viele gute Ideen für Klimaanpassungsinstrumente, gleichzeitig sind die Mittel der Weltgemeinschaft begrenzt.

Inwiefern?
Es gibt viele gute Ideen für Klimaanpassungsinstrumente, gleichzeitig sind die Mittel der Weltgemeinschaft begrenzt. Also geht es darum, solche Maßnahmen zu entwickeln und zu unterstützen, die möglichst effektiv sind. Als Ökonom*innen verfügen wir über geeignete Methoden, um zu evaluieren, wie wirksam verschiedene Maßnahmen wie etwa parametrische Wetterversicherungen sind und ob sie den gewünschten Zweck erfüllen. Damit können wir Politiker*innen eine Grundlage für ihre Entscheidungen bieten.

Woher kommen die Daten für Ihre Forschung?
Wir führen repräsentative Haushaltsbefragungen durch, mit denen wir beispielsweise herausfinden wollen, was Kleinbauern motiviert, sich für den Erwerb einer Wetterversicherungspolice zu entscheiden oder eben nicht. Außerdem interessiert uns, ob es Familien besser geht, nachdem sie eine solche Versicherung abgeschlossen haben.

Wie genau läuft das ab?
Wenn ich mit meiner Forschungsgruppe eine neue Datenerhebung beginne, erarbeiten wir zunächst einen Entwurf des standardisierten Fragebogens, reisen dann in das Land und besprechen die Themen mit Experten und Kleinbauern. Welche Fragen treiben die Menschen um? Welche Indikatoren für menschliches Wohlergehen können wir mit dem standardisierten Fragebogen erfassen? Welche Themen sind zu sensibel? Haben wir das richtige Vokabular verwendet? Nach den Gesprächen vor Ort passen wir den Fragebogen an den kulturellen Kontext an. In Zusammenarbeit mit lokalen Universitäten oder Statistikämtern bilden wir das Team aus, das die Stichprobenhaushalte anschließend aufsucht und die Befragung durchführt – idealerweise mehrmals über die Jahre hinweg, um zu sehen, wie sich die Situation im Zeitverlauf entwickelt.

Im Globalen Süden sind gerade die Daten, die man sich für die Forschung am meisten wünscht, häufig nicht vorhanden.

Das klingt sehr aufwendig.
Das ist es auch. Aber eine gute Datengrundlage ist die Basis unserer Forschung. In Deutschland sind viele Daten auf Knopfdruck verfügbar. Im Globalen Süden sind gerade die Daten, die man sich für die Forschung am meisten wünscht, häufig nicht vorhanden. Hier müssen wir also investieren.

In Subsahara-Afrika bereiten Dürren den Kleinbauern teils massive Probleme.

© Pixabay, Eveline de Bruin

In welchen Ländern sind Sie hauptsächlich unterwegs?
Mein Schwerpunkt liegt auf Subsahara-Afrika und Asien. Aktuell erheben wir Daten im Senegal, demnächst beginnen wir eine Erhebung in Vietnam. In der Mongolei haben wir gerade eine große Haushaltsbefragung abgeschlossen, bei der jeder Haushalt fünf Mal in zehn Jahren befragt wurde. Diese Länder kennenzulernen, sie bereisen zu dürfen und zu sehen, wie sie sich im Laufe der Zeit verändern, ist sehr spannend.

Gibt es neben den Wetterversicherungen noch andere vielversprechende Klimaanpassungsmaßnahmen?
Meine Forschungsgruppe beschäftigt sich auch mit dem neuen Instrument der vorausschauenden humanitären Hilfe. Die Idee ist, nicht zu warten, bis ein Extremwetterereignis eingetreten ist und die konventionelle humanitäre Hilfe anrollt – denn die kommt bei den Betroffenen oft viel zu spät an. Stattdessen wird die vorausschauende humanitäre Hilfe basierend auf Wetterprognosen in Gang gesetzt, bevor ein Extremwetter einsetzt. Menschen bekommen Geld oder andere Sachmittel, mit dem sie zum Beispiel Dinge kaufen können, die helfen, sich gegen das Wetterereignis zu schützen. Dabei nimmt man in Kauf, dass Hilfsgelder ausgezahlt werden, obwohl das prognostizierte Extremwetterereignis vielleicht gar nicht eintreten wird. Auch die vorausschauende humanitäre Hilfe evaluieren wir gerade im Hinblick auf ihre Wirksamkeit.

Ich denke, dass wir gar kein anderes Mittel haben, als jetzt noch enger zusammenzuarbeiten, um uns dieser globalen Menschheitsherausforderung zu stellen.

Glauben Sie, dass der Klimawandel zu einem größeren globalen Zusammenhalt führen wird?
Ich denke, dass wir gar kein anderes Mittel haben, als jetzt noch enger zusammenzuarbeiten, um uns dieser globalen Menschheitsherausforderung zu stellen. Diese Herausforderung ist nicht allein von einzelnen Ländern zu bewältigen. Es braucht Zusammenarbeit über die Ländergrenzen hinweg.

Quelle