Interview
mit Prof. Dr. Winter
Im Folgenden könnt ihr euch ein Interview von eurem Professor Dr. Stefan Winter durchlesen. In welchem spannende Fragen zu seinem Fachbereich, aber auch zu seiner Person gestellt wurden. So lernt ihr ihn besser kennen.
Ich habe Wirtschafswissenschaft in Hannover studiert. Dort wurde das gleiche Modell wie in Bochum angeboten, nämlich die Kombination aus Betriebs- und Volkswirtschaftslehre. Ich habe diesen Studiengang gewählt, da ich mich schon im Schulunterricht für wirtschaftliche Themen interessiert habe. Ich hatte auch über Jura nachgedacht, allerdings war mir das Paragrafen auswendig lernen zu öde. Ich wollte gerne etwas lebensnahes und praktisches studieren und auch etwas, was mir hinterher ein vernünftiges Leben finanzieren kann.
Nein, am Anfang des Studiums stand das überhaupt nicht auf meiner Agenda.
Ja, mein Statistikprofessor Walter Krämer. Damals war das Studium noch in das Vordiplom und das eigentliche Diplom unterteilt.
Während des Vordiploms war ich Hilfskraft am Statistik Lehrstuhl und habe Herrn Professor Krämer dort kennengelernt. Irgendwann waren wir per Du und haben uns viel ausgetauscht, unter anderem auch darüber, was ich später in meinem Leben machen möchte. Damals habe ich gesagt, dass ich eigentlich vorhabe nach dem Diplom in die USA zu gehen, um einen MBA zu machen und dann in die freie Wirtschaft zu gehen.
Da hat er erst mal still in sich hinein gelächelt und dann gefragt, ob ich nicht mal überlegt hätte, selbst Professor zu werden. Er brauchte nicht lange, um mich davon zu überzeugen, meine bisherigen Karrierepläne über Bord zu werfen und den Beruf des Professors anzustreben.
Eigentlich nicht. Das Einzige, das ich zwischendurch immer wieder ein bisschen bereue ist, dass ich während des Studiums und meiner Diplomarbeit Statistik und Ökonometrie vertieft habe. Danach habe ich jedoch keine empirischen Arbeiten mehr geschrieben. Nach meinem Studium hat sich der Wissenschaftsbetrieb sehr viel stärker empirisch ausgerichtet, sodass es aus heutiger Sicht einfacher ist empirische Arbeiten zu veröffentlichen als rein theoretische Arbeiten. Das finde ich ein bisschen bedauerlich, aber tendenziell ist es so wie es war gut gelaufen. Man muss eben immer aus dem was sich bietet das Beste machen. Das ist viel wichtiger als geplanten Abläufen zu folgen.
Ich glaube, dass es hilfreich ist, immer daran interessiert zu sein etwas Neues zu lernen. Der Wissenschaftsbetrieb ist sehr dynamisch und es kommen ständig neue Ideen auf die Agenda. Im Grunde also die Idee des lebenslangen Lernens, denn einmal fertig studieren und dann Professor werden, das funktioniert nicht.
Es ist glaube ich weniger ein Studientipp als ein allgemeiner Verhaltenstipp. Was ich im Nachhinein bei mir selbst bemerkt habe, aber auch jetzt bei jungen Leuten sehe ist, dass sie wenig Vorstellungen davon haben, was Studieren wirklich bedeutet. Ich würde also jungen Leuten empfehlen sich erstmal Gedanken darüber zu machen, wie organisiere ich mir einen sinnvollen Studienablauf und was sind realistische Erwartungen. Was ich häufig sehe, ist, dass diese Spaß- Erwartungen immer größer werden, wobei das ein Studium nicht wirklich ausmacht,. Sondern die Freude daran in Themen einzutauchen, sowie die Fähigkeit Belohnungsaufschub auszuhalten. Sich selbst zu organisieren und zu motivieren, sowie Spaß am Lernen zu haben, ist besonders wichtig. Studieren bedeutet nämlich eine Herausforderung, die Marathonläufer-Kompetenzen erfordert.
Ich glaube, es ist schwierig und unfair eine Gruppe von vor 20 Jahren mit einer Gruppe von heute zu vergleichen. Beispielsweise ist es jetzt 17 Jahre her, dass ich an der Universität in Würzburg gearbeitet habe. Allein durch die Digitalisierungen leben junge Leute heute in einer ganz anderen Welt. Selbst ich merke, dass ich eine ganz leichte Handysucht habe. Manchmal kann man es ja gar nicht aushalten, sofort drauf zu gucken, wenn es brummt und summt.
Was man sicherlich sagen kann, ist, dass es unterschiedliche Motivationen sich für einen Universitätsstandort zu entscheiden gibt. Neben der Uni Würzburg habe ich auch in Berlin gearbeitet. Berlin ist natürlich schon alleine als Stadt hochgradig attraktiv. Dort haben sehr viel mehr Zugezogenen studiert, während in Würzburg und Bochum im Wesentlichen Menschen aus dem Umfeld studieren. Bedingt durch die sozialen Selektionseffekte war die soziale Zusammensetzung der Studierendenschaft in Würzburg zumindest gefühlt und optisch homogener. Im Ruhrgebiet ist die Studierendenschaft heterogener, denn die Region war sehr lange durch den Strukturwandel geprägt und wir haben viel mehr Studierende mit Migrationshintergrund. Das liegt eigentlich nicht an den Universitäten selbst, sondern eher an ihrem Standort. Ich habe diesen Wechsel allerdings durchaus als erfrischend erlebt. Die Studierenden verhalten sich hier einfach ein bisschen freier Professoren:innen gegenüber, als sie das in Würzburg getan haben. Dort war doch eher ein konservativeres Umfeld, in dem der Professor jemand war, der auf dem Sockel stand.
Ich erinnere mich an eine lustige Geschichte von einer GC Mania Party. Damals fand diese tatsächlich noch im GC Gebäude im Keller statt und es gab einen sogenannten Professoren:innen-Ausschank. Da haben sich Professoren:innen, freiwillig hinter die Theke gestellt und Getränke ausgegeben. Dann kam ein Student vorbei und guckte mich einen Moment an. Er hatte wohl schon ein bisschen was getrunken und haute mir auf einmal auf die Schulter: „Mensch, du bist doch der Vogel von M und U!“ Das wäre jetzt wahrscheinlich in Würzburg nicht passiert, egal wie betrunken die gewesen wären. Deswegen fand ich das Ruhrgebiet von Anfang an attraktiv, weil einfach der Menschenschlag hier sehr unverbogen ist.
Es gibt kein Thema, welches mich mein ganzes Leben lang begleitet hat. Diese Themen wechseln. Ich habe mich in meiner wissenschaftlichen Qualifikationsphase, sowohl in der Dissertation als auch in der Habilitation, mit Fragen der Managementvergütung auseinandergesetzt. Nachdem ich im Jahr 2018 hier an der RUB, gemeinsam mit einem Mitarbeiter einen Aufsatz veröffentlicht habe, der die Quintessenz meiner Forschung war, war dieses Thema für mich abgeschlossen. Dafür habe ich aber ständig neuen Ideen, mit denen ich mich befasse. Es ist also eher die Begeisterung dafür, sich mit neuen Themen zu beschäftigen.
Naja, fangen wir mal bei den Forschungsprojekten an. Also dieser Aufsatz, den ich eben gerade erwähnt habe, war für mich ein Fazit von annähernd 25 Jahren Forschung. Das war für mich schon ein Highlight. Ich muss allerdings dazu sagen ein bisschen ein trauriges Highlight insofern als das die Debatte um die Managementvergütung letzten Endes eine Debatte ist über die Frage: Verdienen Manager zu viel oder nicht? Was ich nach jetzt inzwischen 25 Jahren Beschäftigung mit dem Thema sagen kann, ist, dass sich das wissenschaftlich nicht entscheiden lässt. Das ist natürlich nach 25 Jahren Forschung ein Fazit, was jetzt nicht so wahnsinnig befriedigend ist. Man wünscht sich als Ergebnis eher ein eindeutiges Ja oder Nein. In dem Aufsatz habe ich versucht darzulegen, dass bestimmte Erklärungsansätze strukturell nicht funktionieren, weil sie wissenschaftstheoretisch nicht haltbar sind. Dementsprechend ist da auch in absehbarer Zeit nicht mit Erkenntnissen zu rechnen. Das war für mich dann der Moment mit der Thematik abzuschließen.
Aktuell beschäftige ich mich mit der Frage, ob Glücksspielverhalten rational ist oder nicht. Das ist jetzt mal ein ganz anderes Thema für mich. Mein Interesse an der Glücksspielökonomik hat durch das Lesen einer Fußnote angefangen, in der stand, dass es Menschen gibt, die mit Wetten auf Pferderennen reich geworden sind. Als Ökonom denkt man dann: „Das kann doch eigentlich nicht sein!“ Das hat dann meine Liebe zur Ökonomie von Glücksspielen vorangetrieben.
Ich glaube tatsächlich, dass der Übergang von der Schule zur Universität ein sehr drastischer Schnitt ist. Man wird auf einmal in eine anonymisierte Situation hineingeworfen, in der die Fähigkeit sich selbst zu organisieren entscheidend wird.
Ich habe im letzten Semester mal angefangen, außerhalb des Curriculums sogenannte Kaminabende anzubieten, an denen ich verschiedene Techniken zur Selbstorganisation vorgestellt habe. Da wir dazu sehr begeisterte Reaktionen bekommen haben, haben wir ein komplettes Lehrprogramm für ein gesamtes Semester entwickelt. Das würde ich dann besonders Studierenden im ersten Semester empfehlen. Ich erhoffe mir davon, jungen Leuten Input mitzugeben, der jenseits von ökonomischen Kenntnissen liegt. Was sagt die Verhaltensökonomie oder die positive Psychologie dazu, wie ich Situationen besser meistern kann?
Ich bin im Home-Office sehr viel produktiver als an der Uni. Das ist natürlich dadurch bedingt, dass ich ein sehr ruhiges Umfeld habe und hier keiner ständig in mein Büro kommt. Der direkte Austausch mit meinen Mitarbeiter:innen hat ein Stück weit gelitten. Inzwischen sind wir so weit, dass unsere Gespräche über Zoom zum Standard gehören. Bei Studierenden ist das sicherlich ganz anders. Ich kann mir gar nicht vorstellen zu studieren, ohne den direkten Kontakt, ohne dieses Zusammensitzen in den Vorlesungen und ohne gemeinsam über die Professoren lästern.
Also von daher sehe ich die Folgen dieser Situation nicht nur negativ, aber die Gesamtwirkungen sind natürlich gerade für junge Leute fatal. Ich finde das auch sehr bedauerlich, dass insbesondere dieses ganze Studentenleben drum herum so zum Erliegen gekommen ist. Natürlich gehört es dazu, Partys zu machen auch mal nicht genug für die Klausur zu lernen und sich dann hinterher über die schlechten Noten zu ärgern und sich zu denken, die Party hätte vielleicht nicht sein müssen. Das gehört zum Jungsein dazu und das ist eben doch sehr schade.
Ich habe im Rahmen der Corona Pandemie mein gesamtes Vorlesungsprogramm nochmal neu auf Video gebracht. Das hatte ich in der Vergangenheit schon für einzelne Veranstaltungen gemacht. Dadurch ist schon vor der Pandemie die Teilnehmerzahl auf ungefähr 20 - 30% derjenigen, die die Klausur mitgeschrieben haben zurückgegangen. Neben den Videos gibt es noch schriftliches Material. Das heißt ich verstehe, dass Studierende unter diesen Bedingungen nicht zu meinen Vorlesungen gehen. Wir Professor:innen stehen jetzt also vor der Herausforderung, wie man darauf am besten reagieren soll. Wenn man zusätzlich interessante Inhalte in der Vorlesung bespricht, kann man diese ja nicht prüfen.
Als Test skizziere ich den Vorlesungsstoff nur kurz in Präsenz und behandle mehr interessante Dinge drumherum, zum Beispiel empirische Arbeiten.
Ich bin sehr gespannt, wie lange es noch dauert bis künstliche Intelligenzen bessere Aufsätze schreiben als Menschen. Das ist bei normalen Texten, wie zum Beispiel bei Romanen oder so, jetzt schon so weit. Und so eine künstliche Intelligenz, die kann natürlich 10.000 Aufsätze in 10 Sekunden lesen und diese auswerten, was ich wiederum nicht kann. Es könnte sein, dass Forschungsprojekte, die über Jahrzehnte gelaufen sind, von irgendwelchen Programmen innerhalb von 10 Sekunden gelöst werden können. Der Doktorvater meines ehemaligen Statistikprofessors hat sein Leben noch damit verbracht Logarithmentafeln auszurechnen und zu veröffentlichen. Dann kamen entsprechende Taschenrechner auf den Markt und jeder Depp konnte das innerhalb von Sekunden auf 10 Stellen genauer als dieser Professor berechnen.
Nein, das denke ich tatsächlich nicht. Wenn ich auf mein eigenes Leben zurückblicke, dann gab es nicht die eine relevante Erkenntnis. Es geht eher um die Kombination von Wissen. Zu sagen Human Ressource Management oder andere Teildisziplinen seien jetzt die Wichtigste stimmt nicht. Es ist für mich persönlich die Wichtigste, weil das mein Beruf ist. Ich würde aber niemals den Studierenden sagen, du musst das machen.