Bilanzen im Mittelstand
Die Europäische Union verpflichtet Kapitalgesellschaften zur Transparenz. Davon profitieren Unternehmensgründer.
Unternehmensgründer stehen vor der schwierigen Entscheidung, wie viel Eigen- und wie viel Fremdkapital sie zur Unternehmensfinanzierung einbringen. Unsicherheiten können sie reduzieren, indem sie sich an den Kapitalstrukturen von etablierten Wettbewerbern orientieren, die sie den veröffentlichten Bilanzen entnehmen können. Zu diesem Schluss kommt Prof. Dr. Devrimi Kaya von der Bochumer Fakultät für Wirtschaftswissenschaft gemeinsam mit Kollegen der University of Washington nach einer empirischen Analyse, in die Daten von zehntausenden Unternehmen aus vier europäischen Ländern eingingen.
Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift „Journal of Accounting and Economics“ vom 17. November 2020 veröffentlicht.
Kapitalstrukturen vor und nach Gesetzesänderung untersucht
„Welche Kapitalstruktur man für das eigene Unternehmen wählt, ist eine weitreichende unternehmerische Entscheidung“, erklärt Devrimi Kaya. „Wer beispielsweise mit 80 Prozent Fremdkapital sein Unternehmen gründet, während der Industrieschnitt von Wettbewerbern bei 65 Prozent liegt, läuft Gefahr, in Krisenzeiten Insolvenz zu beantragen oder von etablierten Konkurrenten durch strategische Preisanpassungen aus dem Markt verdrängt zu werden.“ Erschwerend für Unternehmensgründer ist, dass Kapitalstrukturen im Mittelstand im Zeitverlauf recht konstant sind und nicht flexibel angepasst werden können.
Die Wirtschaftswissenschaftler untersuchten die Kapitalstruktur von neu gegründeten und etablierten Unternehmen vor und nach einer Gesetzesänderung, welche in Deutschland die Pflicht zur Bilanzveröffentlichung strikt umsetzt. Nach der Gesetzesänderung glichen sich die Kapitalstrukturen von neuen und etablierten Firmen innerhalb gleicher Industrien und Regionen in Deutschland stärker an als vorher. Dieser sogenannte Mimicking- oder Nachahmungseffekt war in anderen europäischen Ländern nicht zu finden.