Wir möchten Ihnen ein neues Teammitglied am Centrum für Umweltmanagement, Ressourcen und Energie vorstellen. Dr.-Ing. David Piorunek ist seit Dezember bei uns und bringt seine Expertise als Ingenieur und Materialwissenschaftler vor allem im EU Horizon Projekt Circular Foam ein, bei dem es um das chemische Recycling von Kunststoffschäumen geht. Er verfügt zudem über eine Fülle von Erfahrungen im Bereich der Wissenschaftskommunikation und Netzwerkbildung, unter anderem zu Themen der nachhaltigen Transformation und Kreislaufwirtschaft.
Für ein ausführlicheres Kennenlernen haben wir ihn näher interviewt:
Wer bist du und warum bist du am CURE?
Als Kind des Ruhrgebiets habe ich den Großteil meiner Studienzeit an der Ruhr-Universität Bochum verbracht, zunächst an der Fakultät für Sportwissenschaft und zuletzt an der Fakultät für Maschinenbau, Institut für Werkstoffe. Im Laufe der Jahre hat mich immer stärker die Wechselwirkung zwischen Mensch, Material und Umwelt interessiert. Parallel zu meiner Promotion am Lehrstuhl Werkstoffwissenschaft zu Formgedächtnismetallen habe ich zudem vielfältige ehrenamtliche Erfahrungen im Bereich Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sammeln dürfen, unter anderem bei Scientists for Future Bochum. Durch eine neue Projektidee zur Kreislaufwirtschaft kam ich mit Jan-Hendrik Kamlage in Kontakt, der mich ins Team geholt hat.
Wo liegen deine Forschungsinteressen?
Ich habe bisher vor allem experimentell und analytisch geforscht, was mir ein tieferes Verständnis für das Zusammenspiel zwischen der Struktur, dem Processing und den Eigenschaften von Materialien ermöglicht hat. Hierbei habe ich z.B. untersucht, welchen Einfluss die chemische Komplexität auf die besonderen Funktionseigenschaften von Formgedächtnismetallen hat. Durch mein ehrenamtliches Engagement für die nachhaltige Transformation und damit verbundene Recherchen im Bereich der Komplexitätsforschung bin ich darauf gestoßen, wie viele Analogien zwischen lebendigen und künstlichen Systemen bestehen, insbesondere wenn bestimmte Bedingungen für Komplexität vorhanden sind. Hier möchte ich ansetzen und z. B. auf Basis von Theorien und Methoden aus der Komplexitätsforschung reale Transformationsprozesse besser verstehen und Empfehlungen für die komplexen Herausforderungen der nachhaltigen Transformation ableiten.
Das klingt ganz schön kompliziert. Kannst Du das mal an einem Beispiel erläutern?
Ja klar, gern. Ein mittlerweile gut bekannter Veränderungsprozess eines komplexen Systems ist ja der Klimawandel. Hierbei wird seit einigen Jahren von wissenschaftlicher Seite davor gewarnt, dass wir sogenannte Kipppunkte bzw. kritische Schwellenwerte überschreiten, die nicht reversibel sind. Das bedeutet, dass es bei bei deren Überschreitung zu starken und teils unaufhaltsamen, unumkehrbaren Veränderungen kommt. Die Regenwälder der Amazonasregion verändern sich aktuell z.B. von einer Kohlenstoffsenke, die CO2 speichert, hin zu einer Kohlenstoffquelle, die mehr CO2 ausstößt, als sie aufnimmt. Dies bedeutet, dass dann eine der bisherigen grünen Lungen der Erde zur Erhitzung des Klimas beiträgt. Die Ursachen und Mechanismen, die hinter dieser neuen Dynamik stehen, finden sich aber nicht nur in ökologischen Systemen, wie dem Erd- und Klimasystem. Kipppunkte lassen sich z.B. auch in der Wirtschaft und in gesellschaftlichen Bereichen beobachten, bspw. wenn große Protestbewegungen innerhalb weniger Tage entstehen, ohne dass sich dies vorher abzeichnete oder diese zentral organisiert wurden. Ich möchte als Wissenschaftler zum Verständnis über diese Dynamiken beitragen, Entscheider*innen für komplexe Zusammenhänge sensibilisieren und dabei helfen, Komplexität nicht mehr zu fürchten oder zu ignorieren, sondern nutzbar zu machen.
In unserer Forschungsgruppe „Partizipation und Transformation“ beschäftigen wir uns insbesondere mit gesellschaftlichen Veränderungsprozessen und anwendungsorientierter Partizipationsforschung. Wie passen deine Forschungsinteressen und Ideen da hinein und wo kannst du noch was lernen?
Eine wichtige Aufgabe in unserem EU Horizon Projekt Circular Foam ist es z.B. verschiedene Stakeholdergruppen und Akteure zu identifizieren und proaktiv in einen technologischen Innovationsprozess einzubinden. Hierbei kann ich z.B. dabei helfen, technische Aspekte und Herausforderungen besser zu verstehen. Wir arbeiten auch mit unseren Projektpartnern daran, frühzeitig Change Agents aus der Industrie, Forschung, Politik und Gesellschaft einzubinden und gemeinsam Szenarien für nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Ich glaube, dass meine eher systemische Perspektive hier durchaus nützlich sein kann, um eine gemeinsame Sprache zu finden, ohne individuelle Interessen zu vernachlässigen, worauf dann die Teamkolleg:innen sehr gut achten. Gleichzeitig lerne ich, neue qualitative Methoden zu nutzen, die wir im Team in Form eines Mixed-Methods-Ansatzes integrieren. Wir versuchen also qualitative und quantitive Methoden und Ergebnisse in ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsverständnis zu überführen. Das macht unglaublich viel Spaß und ist eine große Herausforderung, aber es erweitert meinen wissenschaftlichen und persönlichen Horizont gerade auch immens! [Lacht]
Erzählst du uns zum Abschluss noch einen Fun-Fact über dich?
[Lacht] Ja klar. Obwohl ich nicht in Bochum geboren wurde, fühle ich mich hier mittlerweile schon sehr stark verwurzelt. Das hat vllt. auch damit zu tun, dass ich in der Jugend 5 Jahre beim VfL Bochum 1848 GmbH & Co. KGaA gespielt habe. Obwohl ich kein Fußballprofi geworden bin und auch nicht mehr aktiv spielen kann, verfolge ich mittlerweile wieder gern die Bundesliga und freue mich auch, dass der VfL sich in der 1. Liga hält. Zudem freue ich mich sehr darüber, dass der VfL so gut mit seiner CSR & Nachhaltigkeitsabteilung aufgestellt ist und das Thema im Fußball mehr Beachtung findet.