Forschungsprojekt: Entscheidungshilfen für die Politik in der Pandemie
Welche Maßnahmen wirken tatsächlich, und wie bringt man die Leute dazu, sie freiwillig zu akzeptieren? Das und mehr will ein interdisziplinäres Team herausfinden.
Lockdown oder Lockerungen? Wirtschaftliche Einbußen hinnehmen oder viele, teils Schwerkranke und Tote in Kauf nehmen? Die Coronapandemie stellt die Politik vor schwierige Fragen. Entscheidungshilfen für solche Situationen entwickelt ein fachübergreifendes Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Die Forschenden aus Ökonomie, Ethik, Psychologie und Virologie werden die komplexen Zusammenhänge in Pandemiesituationen in einem Modell abbilden und die Folgen alternativer Politikszenarien analysieren. So tragen sie zu einer fundierten modellbasierten Politikgestaltung bei. Dabei werden sie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die kommenden drei Jahre gefördert.
Kooperationspartner
Partner im erfolgreichen Forschungsantrag sind Prof. Dr. Wilhelm Hofmann, Lehrstuhl Sozialpsychologie, Prof. Dr. Michael Roos und Dr. Paola D’Orazio, Lehrstuhl Makroökonomik am Institut für Volkswirtschaftslehre, Prof. Dr. Klaus Steigleder, Lehrstuhl Angewandte Ethik am Institut für Philosophie, und Prof. Dr. Eike Steinmann, Leiter der Abteilung Molekulare und Medizinische Virologie.
Ein Modell für die Analyse
Vier Hauptziele stehen im Fokus des multidisziplinären Projekts: Die Forschenden wollen ein agentenbasiertes Modell entwickeln, das es erlaubt, die virologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen und die Effektivität verschiedener politischer Interventionen zur Bekämpfung von Epidemien zu analysieren. „Insbesondere konzentrieren wir uns darauf, wie die Regierung die Effektivität der Interventionen durch geeignete Kommunikationsstrategien erhöhen kann“, erklärt Michael Roos. Das Modell wird mit Daten aus dem Ruhrgebiet empirisch validiert.
Zweites Ziel ist es, die psychologischen Grundlagen effektiver politischer Interventionen zu untersuchen. „In einer Demokratie ist es weder möglich noch wünschenswert, die Interventionen nur mit Gewalt durchzusetzen“, so Wilhelm Hofmann. „Die freiwillige Befolgung der verordneten Maßnahmen ist entscheidend für deren Wirksamkeit. Wir erforschen daher, wann und warum sich die Menschen an die Restriktionen zur Pandemiebekämpfung halten.“
Medizinische Grundlagen und ethische Zielkonflikte
Im Mittelpunkt stehen zudem die virologischen Grundlagen effektiver politischer Interventionen. „Um effektive Gegenmaßnahmen zu entwickeln, ist es notwendig, das Auftreten aktiver Virusinfektionen und die Entwicklung von Antikörperreaktionen zu verstehen“, erläutert Eike Steinmann. Dieses Wissen ist wichtig, um zu erkennen, welche Maßnahmen aus medizinischer Sicht empfehlenswert sind, um gefährdete Gruppen zu identifizieren und um den Verlauf der Pandemie vorherzusagen.
Schließlich untersucht das Team die ethischen Zielkonflikte während der Pandemie. „Das Gesamtziel des ethischen Projekts ist es, Kriterien für eine fundierte moralische Bewertung verschiedener Politiken und Politikoptionen bezüglich der Coronapandemie zu entwickeln“, so Klaus Steigleder. Diese werden auf die Politiksimulationsszenarien angewandt.
Ruhrgebiet steht im Fokus
Das Projekt wird einen räumlichen Fokus auf das Ruhrgebiet haben – aus drei Gründen: Zum einen ist das Ruhrgebiet das größte Stadtgebiet in Deutschland und das zweitgrößte in der Europäischen Union. Zudem ist die multidisziplinäre Gruppe an der Ruhr-Universität Bochum angesiedelt und befindet sich in einem wesentlichen Netzwerk von Forschung und Akteuren, die in diesem Gebiet verwurzelt sind. Drittens machen die Bevölkerungsdichte und die Konzentration von kritischen Produktionsstätten das Gebiet relevant für die Untersuchung der Dynamik des Ausbruchs, der Verbreitung und der Eindämmung von Pandemien.
Der Beitrag des Projekts besteht darin, nützliche Daten und theoretische Instrumente bereitzustellen, die die öffentliche Politik bei der Bewältigung von Pandemien, wie der aktuellen Covid-19-Pandemie, leiten können.
Auch die WAZ berichtet. Quelle: Ute Schwarzwald/WAZ Region
Pressekontakt
Dr. Lisa Lemke
Medizinische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
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