Pellens-Universitätspreis 2020
Am 14.12.2020 wurde erstmals der Pellens-Universitätspreis vergeben. Durch diesen Preis werden herausragende Leistungen im Bereich betriebswirtschaftlicher Forschung oder universitärer Lehre ausgezeichnet. Im Bereich der Forschung können Habilitationsschriften, Dissertationen, Masterarbeiten und andere wissenschaftliche Leistungen prämiert werden, die durch eine hohe Praxisrelevanz gekennzeichnet sind. Daneben kann die von Herrn Prof. Dr. Bernhard Pellens Ende 2019 ins Leben gerufene Pellens-Stiftung auch Stipendien für Studierende vergeben, die ausgezeichnete Studienleistungen im Bereich der angewandten Betriebswirtschaftslehre aufweisen.
Die Auswahl der Förderprojekte erfolgt – auf Vorschlag des Instituts für Unternehmensführung (ifu) der Ruhr-Universität Bochum – durch den Vorstand der Alwin Reemtsma-Stiftung, dem u.a. die Kanzlerin der Ruhr-Universität angehört.
Den Pellens-Universitätspreis erhielt in diesem Jahr Herr Dr. André Schmidt für seine herausragende Habilitationsschrift zum Thema „Institutionen der deutschen Corporate Governance – Abschlussprüfung, Aktionärsrechte und Finanzberichterstattung“. Die Verleihung des Preises wurde vom Stifter des Preises, Prof. Dr. Bernhard Pellens, und vom geschäftsführenden wissenschaftlichen Direktor des Instituts für Unternehmensführung, Prof. Dr. Thorsten Knauer, vorgenommen
Herr Dr. André Schmidt war nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Unternehmensrechnung bis 2020 beschäftigt. Er wurde 2012 mit summa cum laude promoviert und die Fakultät für Wirtschaftswissenschaft habilitierte ihn für das Fach Betriebswirtschaftslehre im Juli 2020. Seit dem 01. Oktober 2020 ist er im Rechnungswesen der Amprion GmbH, Dortmund tätig.
Institutionen der deutschen Corporate Governance – Abschlussprüfung, Aktionärsrechte und Finanzberichterstattung
Herr Dr. Schmidt setzt sich in seiner aus sechs Arbeiten bestehenden kumulativen Habilitationsschrift mit unterschiedlichen Problemstellungen auseinander, die verschiedene in den Corporate Governance-Kontext eingebettete Institutionen betreffen.
In zwei Beiträgen wird die Sicht deutscher Prüfungsausschussvorsitzender auf die – nicht zuletzt im Zuge des Wirecard-Skandals beanstandete – Qualität der Abschlussprüfung beleuchtet. Einerseits wird das persönliche Verständnis Prüfungsausschussvorsitzender von Prüfungsqualität untersucht. Hierzu wurden 23 semi-strukturierte Interviews mit Prüfungsausschussvorsitzenden deutscher börsennotierter Unternehmen ausgewertet. Es wird untersucht, wie die Interviewteilnehmer Prüfungsqualität definieren, messen und welche Maßnahmen sie ergreifen, um ein hohes Qualitätsniveau sicherzustellen. Besondere Relevanz messen Prüfungsausschussvorsitzende einem vom Management unabhängigen Abschlussprüfer bei. Insofern fokussieren sich Prüfungsausschussvorsitzende insbesondere auf die Auswahl eines fachlich und persönlich kompetenten Prüfers, mit dem eine intensive und effektive Interaktion und Kommunikation stattfindet, um eine hohe Prüfungsqualität sicherzustellen. In der zweiten Studie wird über einen qualitativen Forschungsansatz ein neuartiger Mechanismus dokumentiert, über den Prüfungsausschussvorsitzende versuchen, audit quality outcomes – in Form extremer Ermessensentscheidungen des Managements – zu beeinflussen. Um überhaupt Einfluss nehmen zu können, müssen solche Ermessensentscheidungen zunächst transparent gemacht werden. Diesbezüglich verlassen sich Prüfungsausschussvorsitzende auf einen hochqualifizierten externen Abschlussprüfer und würdigen diese Transparenz als zentralen Output der Prüfungsleistung. Prüfungsausschussvorsitzende nutzen diese Transparenz, um extreme Ermessensentscheidungen des Managements zu hinterfragen und bei Bedarf kritisch zu diskutieren. Darüber hinaus kann eine solche Transparenz das Management bereits proaktiv dazu anzuhalten, bilanzpolitisches Ermessen eher moderat auszuüben.
Zwei weitere Studien befassen sich dem Verhalten und den Präferenzen von Privatanlegern und stellen die Bedeutung von Aktionärsrechten in den Mittelpunkt. Einerseits werden die Determinanten der Nutzung des Aktionärsstimmrechts untersucht, andererseits die Ausschüttungspräferenzen von Privatanlegern. Auf Grundlage einer Befragung von mehr als 400.000 Privatanlegern wird mittels multivariater Analysemethoden untersucht, welche Faktoren mit der Nutzung des Aktionärsstimmrechts durch Privatanleger assoziiert sind. In Übereinstimmung mit dem Ressourcenmodell aus der politischen Stimmrechtsforschung üben insbesondere Privatanleger mit besseren (kognitiven) Ressourcen ihr Aktionärsstimmrecht aus. Diese Ressourcen manifestieren sich insbesondere in einem höheren Bildungsniveau, besseren Finanzkenntnissen sowie einer größeren Erfahrung hinsichtlich der Aktienanlage. Mit Blick auf die Ausschüttungspräferenzen von Privatanlegern zeigt sich, dass diese nicht indifferent sind zwischen Dividenden und Kursteigerungen. Es wird ein Zusammenhang zwischen verschiedenen persönlichen Charakteristika und den Ausschüttungspräferenzen der Befragungsteilnehmer festgestellt. Schließlich ist festzustellen, dass die Dividendenpräferenz von Privatanlegern im Zeitvergleich signifikant gestiegen ist. Die Analysen legen nahe, dass dieser Anstieg der Dividendenpräferenz im Zusammenhang mit der deutschen Steuerreform des Jahres 2009 und der damit verbundenen Abschaffung der diskriminierenden Besteuerung von Dividenden gegenüber Kapitalerträgen stehen könnte. Schließlich ist hinsichtlich der verschiedenen getesteten Dividendentheorien hervorzuheben, dass speziell die Bird-in-the-hand-, die Signaling- sowie die Transaktionskosten-Theorie durch die empirischen Ergebnisse gestützt werden.
Die beiden verbleibenden Studien beinhalten schließlich Fragestellungen zum Informationsgehalt der Finanzberichterstattung aus Eigen- und Fremdkapitalgebersicht. In der ersten Studie wird der freiwillige Wechsel von der Quartalsfinanzberichterstattung zu Quartalsmitteilungen auf die Informationsasymmetrie am Kapitalmarkt analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Informationsasymmetrie bei Unternehmen, die zur Quartalsmitteilung wechseln, vergleichsweise höher ausfällt. Dieser Effekt wird vornehmlich durch kleine(re) Unternehmen hervorgerufen, die in einer schwächeren Informationsumgebung agieren. Die Stärke der Informationsasymmetrie hängt hierbei vom konkreten Kürzungsumfang im Zuge des Übergangs vom Quartalsfinanzbericht zur Quartalsmitteilung ab. In dem zweiten Beitrag wird auf Grundlage von Archivdaten empirisch untersucht, ob sich durch Verwendung zeitlich geglätteter und branchennormierter Finanzkennzahlen die Anpassungsgüte von Ratingreplikationsmodellen verbessert. Ausgangspunkt dieser Forschungsfrage ist, dass Ratings für die Finanzierungskonditionen von Unternehmen von hoher Bedeutung sind und verschiedene Stakeholder daher an einer möglichst frühzeitigen und treffgenauen Rating-Prognose interessiert sind. Im Ergebnis liefert die Verwendung zeitlich geglätteter im Vergleich zu ungeglätteten Finanzkennzahlen keine systematisch höhere Modelanpassungsgüte bzw. Prognosegenauigkeit. Demgegenüber steigt letztere bei Verwendung branchennormierter Kennzahlen. Im Schnitt können damit 60 % der Unternehmensratings zutreffend prognostiziert werden.