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©Kirsten Reinhold für bikablo.com
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June 15, 2021
Wie sollen wir unser Revier gestalten? Bürger*innenversammlung zur Bioökonomie startet erfolgreich

Bericht der Citizens’ Assembly, die im Rahmen des Projektes BioökonomieREVIER am 17.4.2021 mit knapp 50 zufällig ausgewählten Bürger*innen aus dem Rheinischen Braunkohlerevier digital stattgefunden hat:

Gute landwirt- und forstwirtschaftliche Flächen sind knapp – auch im Rheinischen Revier. Mit dem Strukturwandel in der Region steigt die Nachfrage nach Flächen für Gewerbe und Industrie, Wohnen sowie Infrastrukturen stetig an. Wie soll zukünftig mit dem knappen und schützenswerten Gut umgegangen werden? Wie gehen wir mit den Ansprüchen und Zielkonflikten zwischen den verschiedenen Nutzungen um?

Diese und andere Fragen diskutierten knapp 50 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus dem Revier am 16. und 17. April 2021 auf der Auftaktveranstaltung der Bürger*innenversammlung BioökonomieREVIER. Die Bürgerversammlung nach dem Vorbild angloamerikanischer Citzen´s Assemblies entwickelte die Projektgruppe BioökonomieREVIER des Centrums für Umweltmanagement, Ressourcen und Energie (CURE) der Ruhr-Universität Bochum. Die Bürgerversammlung besteht aus der eineinhalbtägigen Auftaktversammlung und einer Abschlussveranstaltung im Herbst 2021. In der Zwischenzeit erarbeiten Arbeitsgruppen Empfehlungen, die im Herbst abgestimmt und beraten werden.

Das CURE-Team entwickelt und organisiert in Kooperation mit der Koordinierungsstelle BioökonomieREVIER am Forschungszentrum Jülich einen umfassenden Beteiligungsprozess zum Thema „Bioökonomie und Flächennutzungen“ im Rheinischen Revier. Um trotz der Covid-19-Pandemiesituation Beteiligungsveranstaltungen durchzuführen, entschied sich das Team zu einer digitalen Veranstaltung. Die Teilnehmenden zeigten dabei großes Interesse sowohl am Thema als auch an der Bürgerbeteiligung. Die große Resonanz bei den Teilnehmenden und die Zufriedenheit nach dem Auftakttreffen lassen auf einen erfolgreichen Verlauf des Beteiligungsprozess hoffen.

Im Zentrum einer guten Bürger*innenbeteiligung stehen Beratungen in kleinen Gruppen und der Aufbau von Vertrauen von Angesicht zu Angesicht. Aber wie funktioniert anspruchsvolle und dialogische Bürger*innenbeteiligung online? Was zeichnet eine gute und faire Partizipation im nun virtuellen Raum aus? Welche Rahmenbedingungen sollten beachtet werden, um zu tragbaren und guten Lösungen zu kommen? Diese zwei Veranstaltungstage zeigten, wie es gelingen kann. Eine gute Mischung unterschiedlicher Methoden und Formate der Zusammenarbeit wie Interview, Referate, Kleingruppen und Umfragen wechselten sich ab. Eine Expertin und vier Experten informierten zu nachhaltiger Bioökonomie und möglichen Pfaden einer nachhaltigen Flächennutzung sowie zu den Potenzialen der landwirtschaftlichen Flächen in der Region. Die Fachexperten waren Prof. Dr. Jan Börner von der Universität Bonn, Dr. Armin Hentschel vor der Landwirtschaftskammer NRW sowie Dr. Joachim H. Spangenberg vom SERI Germany e. V. Von der Koordinierungsstelle BioökonomieREVIER stellte Dr. Christian Klar die unterschiedlichen Flächennutzungsarten wie z. B. Landwirtschaft und Forsten, Wohnen und Tagebaunachnutzung vor. Dr. Stephanie Bock vom Deutschen Institut für Urbanistik, Forschungsbereich Stadtentwicklung, Recht und Soziales (difu, Berlin) erklärte, dass u. a. Transparenz, Wertschätzung und Verbindlichkeit im Prozess ebenfalls eine gute Bürgerbeteiligung ausmachen.

Das Thema des Dialoges sind die Wünsche und Ansprüche an verschiedene Flächennutzungen. So treffen z. B. neue Wohn- oder Gewerbeflächen auf knappe Flächen und damit begrenzte Möglichkeiten. Gleichzeitig sind die Böden aber auch als landwirtschaftliche Fläche gefragt, denn die sehr fruchtbaren Lössböden im Revier gehören global zu den ertragreichsten und dienen als Grundlage für die Ernährungssicherung. Erschwerend kommt hinzu, dass überbauter, abgetragener oder versiegelter Boden nicht oder erst nach vielen Generationen wieder landwirtschaftlich nutzbar ist. Hier gilt es nun, die Zukunft gemeinsam mit den Betroffenen vor Ort vorzudenken.

Die Bürgerinnen und Bürger wurden aus den Tagebau-Anrainerkommunen zufällig ausgewählt. Ziel war es, einen „bunten“ Querschnitt durch die Gesellschaft mit ganz unterschiedlichen Perspektiven für die Beratungen zu erhalten. „Das Ringen um gute Argumente und Lösungen fand auch online in den kleinen Gruppen statt“, so Dr. Jan-Hendrik Kamlage, der Leiter der Forschungsgruppe Partizipation & Transformation. Die Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich an beiden Tagen engagiert und rege an den Diskussionen und gingen mit der Expertin und den Experten ins Gespräch. Die große Resonanz der Teilnehmenden lässt eine erfolgreiche Fortsetzung der Kleingruppen und eine intensive und interessante Abschlussveranstaltung erwarten. Positiv äußerte sich eine Teilnehmerin und freute sich über den „außerordentlich interessanten“ Auftakt und die „freundliche Atmosphäre auf Augenhöhe“.

Ein erstes Fazit kann Jan-Hendrik Kamlage ziehen: „Wichtig und belebend war der Wechsel der verschiedenen Formen von Interview, intensiver Kleingruppenarbeit und inhaltlicher Inputs im Plenum. Entscheidend für die zahlreiche Teilnahme und das große Interesse war sicher auch die Dynamik in der Region durch die Diskussionen um die Braunkohle, der Tagebaunachnutzung und des Strukturwandels in der Region“. Auch gab Kamlage den Bürgerinnen und Bürgern mit auf den Weg, dass sie diesen Prozess gestalten können und somit auch zu ihrem Prozess machen sollen.

Das gesamte Graphic Recording in voller Auflösung können Sie hier einsehen.
Weitere Informationen finden Sie hier.
Text: Ute Goerke